Mittwoch, 22. November 2017

LPC spricht mit ...: Claudia Münster im Gespräch mit Klaus Tiedke



Aktualisierte Normen sollen regelmäßig veränderten Umständen Rechnung tragen.

Das war der Hintergrund für den aktualisierten Revisionstand der DIN EN 10222-2, der im Juni dieses Jahres in Kraft getreten ist. Die aktuelle Fassung beeinhaltet zahlreiche Änderungen. Für die Flanschenwelt ist die interessanteste Änderung die Aufnahme des Werkstoffes P250GH in den Geltungsbereich der Norm. Bislang war dieser Werkstoff lediglich im nationalen Anhang festgeschrieben.

Was bringt die Norm für diesen Bereich Neues? Worauf müssen wir in Zukunft achten? Wie verhält es sich mit den Anforderungen an das Element Aluminium beim P250GH?

Über diese Fragen wurde in den letzten Wochen viel diskutiert und ganz einheitlich waren die Interpretationen nicht.

Wir wollten Klarheit haben und freuen uns sehr, Herrn Klaus Tiedke für ein Interview gewonnen zu haben.

Herr Tiedke ist seit seinem Ausscheiden aus dem aktiven Berufsleben als Qualitätsverantwortlicher beim Flanschenwerk Bebitz GmbH als Technik-Koordinator für die Fachvereinigung Stahlflanschen tätig. Außerdem ist er dort Mitglied im Technischen Ausschuß. Unter anderem war er in der Fachvereinigung maßgeblich in die Erarbeitung der Flanschenkataloge eingebunden. Seit 2003 ist Klaus Tiedke ebenfalls in der TC74/WG 2 NARD (DIN Normenausschuss Rohrleitungen und Dampfkesselanlagen)  aktiv.

Herr Tiedke ist der richtige Ansprechpartner in Sachen Normung und Werkstoffe und wir freuen uns, dass er uns mit seiner Expertise zur Verfügung steht.




CM: Herzlich willkommen Herr Tiedke, wie freuen uns sehr, dass Sie sich Zeit für uns nehmen und unsere Fragen beantworten. Gibt es einen Punkt, zu dem Sie vorab etwas sagen möchten?

KT Im Zuge der Überarbeitung der EN 10222-2 haben sich in die Tabelle 2  — "Chemische Zusammensetzung" einige Fehler „eingeschlichen“.
  • Die Fußnote „c“ ist nicht für alle C-Mn-Stähle festgelegt,
  • Die Erklärung der Fußnote „c“ ist fehlerhaft, Das Wort „Falls“ ist fehl am Platze und
  • In der Erklärung der Fußnote „d“ ist in der Mn-Angabe 40% anstelle 0,40 % angegeben.
Die Korrektur dieser Fehler, muss über ein sogenanntes Amendment erfolgen, da es sich um Fehler (formal) technischen Inhaltes handelt. Von deutscher Seite aus wurde dieses rechtzeitig beantragt. Bis zur Veröffentlichung werden aus meiner Sicht mindestens zwei Jahre vergehen.

CM: Welche veränderten Anforderungen ergeben sich für den Werkstoff P250GH aus der Norm in der vorliegenden Fassung?

KT: Der P250GH war bislang nur im „Nationalen Anhang NA “ der DIN EN 10222-2:2000 aufgeführt.
Nunmehr ist er als Werkstoff in der EN 10222-2 enthalten und damit europaweit genormt. Demzufolge bedarf er keiner Sonderbehandlung (Einzelgutachten gemäß Druckgeräterichtlinie) mehr.

CM: Welche Veränderungen ergeben sich durch die neue Revision für den Werkstoff P250GH in Bezug auf Aluminium (Al) und Stickstoff (N)

KT: Der Mindestgehalt von Al war schon im „Nationalen Anhang“ der DIN EN 10222-2:2000  mit einem Mindestgehalt von 0,015% vorgeschrieben und auch in den erheblich älteren Werkstoffblättern enthalten. Im Revisionstand 06/2017 ist  der Gehalt neu mit 0,020% festgelegt.
Der maximal zulässige N-Gehalt von 0,012% wird aus meiner Sicht durch diesen Stahl normalerweise weit unterschritten, ebenso ist das festgelegte Verhältnis von Al zu N problemlos einzuhalten. Nach der Norm sind allerdings alle festgelegten Elemente im Prüfzeugnis anzugeben, so dass auch der N-Gehalt mit aufzuführen ist.

CM: Warum wurde das Element Al in Relation zu N gesetzt? Was sind die Vorteile im Vergleich zu den alten Werten/Anforderungen?

KT: Die Zugabe von Al dient der Bindung des schädlichen freien Stickstoffs im Werkstoff. Ebenso wird eine verbesserte Kornstruktur erreicht. Im Prinzip ist die Anforderung nur konkretisiert.

CM:  Wie erfahren die Nutzer der Norm von dem Schreibfehler? Müsste der Beuth Verlag nicht tätig werden?

KT: Da es sich diesbezüglich um einen offensichtlichen Schreibfehler handelt, kann aus meiner Sicht die Korrektur sofort in der Bestell-Praxis umgesetzt werden. Die aktuelle Formulierung 

Falls Altotal ≥ 0,020; N ≤ 0,012

ist weder ein Satz, noch in irgendeiner Weise eindeutig zu verstehen.

CM: Stellt sich für Sie überhaupt die Frage, welche Werte in der Zeit bis zur Korrektur der Schreibfahler  maßgeblich sind?

KT: Aus meiner Sicht ist es üblich sich nicht nach offensichtlichen Fehlern in Normen zu richten. Es ist üblich, diese zu ignorieren oder falls erforderlich den richtigen technischen Inhalt zu vereinbaren, bzw. in der Bestellung zusätzlich zu fordern.

CM: Sehen Sie die Gefahr von späteren Reklamationen (nach Korrektur der Norm), bei der ein Kunde im Nachhinein z.B. den Al Gehalt beanstandet, wenn der Flansch in der „Übergangszeit“ geliefert wurde?

KT: Ich sehe die Gefahr von Reklamationen nicht, da es wegen des Normtextes, "Fußnote c „, keine Reklamationen geben dürfte, denn der Text ist in der aktuellen Variante nicht verständlich. Vom Lieferanten wäre demzufolge mindestens eine Rückfrage erforderlich.

CM: Wie Sie einleitend erwähnt haben, ist in der Fußnote d, Tabelle 2 ein Schreibfehler, wonach dem Worlaut nach, wenn der maßgebliche Querschnitt, was bei Flanschen üblicherweise die Blattdicke ist, > 100 mm ist, der Mindestwert für Mn auf >40% erhöht werden muss. Warum ist das für Sie offensichtlich ein Fehler?

KT: Dass es sich um einen Schreibfehler handeln muss, ist aus meiner Sicht logisch, denn ein Mindestwert muss unter einem Maximalwert liegen, und dieser beträgt 0,90%. Die Dicke ist in Tabelle A.1 — Gleichwertige Dicke… der DIN EN 10222-1 festgelegt.

Ich möchte noch anmerken, dass Grenzen für die chemische Zusammensetzung der Werkstoffe, nur eine Anforderung darstellen, die zu gewährleistenden mechanischen Kennwerte und soweit zutreffend weitere Anforderungen, sind ebenso einzuhalten.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass z.B. mit Mn-Gehalten signifikant unter 0,50% Mn beim P250GH die mechanischen Anforderungen zu gewährleisten sind. Besonders kritisch sind hier die Warmstreckgrenzwerte zwischen 100 und 250 Grad C.

Lieber Herr Tiedke, vielen Dank, dass Sie sich für uns Zeit genommen und offene Fragen unserer Leser beantwortet haben.

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Wenn Sie noch Fragen zu diesem Themenbereich haben, sprechen Sie uns gern an.

Verbindende Grüße - Lassen Sie es sich gut gehen




Claudia Münster






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